Warum es besser ist, abzusteigen, als den Reiter zu wechseln.
Aber die Idee war doch sooo gut! Und die Welt wird schon sehen - sie braucht mein Produkt/Buch/Kurs/Angebot (ggf. eigenes Thema einsetzen).
Wenn ich von Anfang an mit Profis gearbeitet hätte, wären wir jetzt schon fertig.
Ein Sprichwort in Österreich besagt: Aufgeben tut man einen Brief.
Ich denke jeder und jede kennt solche Situationen im Leben. Man ist überzeugt, Feuer und Flamme, ganz verliebt in die eigene Idee. Aber manchmal ist der Wurm von Anfang an drin. Es will nicht und nicht gelingen.
Mir reicht’s - ich geh schaukeln
Den richtigen Punkt zu erwischen, an dem man absteigt, ist schwierig. Und schmerzhaft. Immerhin wird Aufgeben und Scheitern in unserer westlich zivilisierten Welt nicht gerade positiv gesehen. Aber gerade in diesem Punkt kann unglaublich viel Potential liegen. Nämlich dann, wenn man sich eingesteht, dass das Produkt/Buch/Kurs/Angebot so nicht funktioniert und in die Analyse geht, anstatt beleidigt beizudrehen und allein gen Sonnenuntergang zu segeln. Hinschauen ist immer hilfreich.
Es ist sicher gut, die Scherben zusammen zu kehren und eine kurze aber gründliche Durchsicht vorzunehmen. Sind da noch Teile, die ich gebrauchen kann? Man kann sie beiseite legen - aber dann geht es auf, zu neuen Ufern.
Und wenn die Idee einen nicht loslässt? Das wird vermutlich der schwierigste Teil. Denn jetzt muss man das Kunststück vorbringen, neu zu denken. Bei Null wieder anfangen. Als hilfreich kann sich dafür ein System erweisen, das bereits erprobt ist - zum Glück muss man in den seltensten Fällen das Rad neu erfinden.
Die goldene Mitte
Mit Simon Sineks Golden Circle beispielsweise kann man an den Kern der Idee gelangen. Ihr kennt es vermutlich - der äußere Kreis ist das >What<, der mittlere das >How< und der innere das >Why<.
Die meisten Firmen/Verlage/Bildungsinstitutionen/Dienstleister denken klassisch: Ich habe dieses/n Produkt/Buch/Kurs/Angebot (What), das kann dieses und jenes (How) und bitte kauf das jetzt.
Allerdings - außer es geht vielleicht um Toilettenpapier oder Brot - die meisten Kaufentscheidungen werden im Bereich des Gehirns getroffen, der für Gefühle zuständig ist. Nicht im rationalen Teil. Niemand kauft einen iMac weil er gerade dringend einen Computer braucht. Diejenigen Firmen oder Organisationen, die es schaffen, das >Why< zu vermitteln, den Golden Circle von innen nach außen zu denken und das >Why< allem voran zu stellen, können auch völlig überteuerte Computer oder Mobiltelefone verkaufen, auf die man wochenlang warten muss. Weil die Kunden sie einfach haben wollen. Weil sie sich mit der Idee, dem >Why< identifizieren.
Wenn eine innere Überzeugung antreibt, wenn ein Narrativ so mächtig ist, dass das >How< und das >What< unweigerlich folgen, dann gelingt die Idee.
Und das lässt sich auch auf Mitarbeiter übertragen. Die oft zitierte Sehnsucht, auf dem Meer zu segeln, ist stärker, als Menschen das Handwerk zu lehren, ein Schiff zu bauen. Wenn ich meine Mitarbeiter nicht begeistern kann, für das was sie tun sollen, dann ist das Projekt seelenlos. Es ist nur das >What<.
Es geht um Inspiration
In seiner fulminanten Rede über den Golden Circle schafft Sinek selbst das Kunststück, zu begeistern - man möchte am liebsten sofort loslegen und seine Idee komplett neu aufsetzen. Nebenbei: Wer ein Lehrstück in motivierendem Reden sucht, möge sich das ansehen!
Es gibt also ganz vielleicht doch ein Leben nach dem Tod. Aber nur, wenn man mit viel Abstand diese gestorbene Idee richtig (wieder)aufsetzt, von innen nach außen gedacht, kann auch ein totes Pferd gegebenenfalls neu geboren werden.